Montag, 9. August 2010

Football Season Is Over

Nun gut. Ein Jahr ist vorbei. Nicht ganz ein Jahr – von 340 Tagen in Thailand sind jetzt 335 vorbei…

335 Tage in denen ich viel gesehen, viel erfahren habe.
Eingetaucht in Bangkok, wurde aus einer abstrakten E-Mail, die mir ein Jahr Thailand versprach schnell die scheinbare Ewigkeit in einem fremden Land. Eine Ewigkeit, die jetzt wie ein Atemzug wirkt, wie ein flüchtiger Augenblick, der, durch eine einzige, winzige Unachtsamkeit verloren ist und nicht mehr wieder kommt.
Mein letztes Wochenende in dieser Stadt ist jetzt vorbei, es bleibt der Abschied vom Goethe-Institut, von den liebgewonnen Kollegen, vom allmorgendlichen Gang zur Arbeit, vorbei am Stand mit Nudelsuppe, am Karren des Eiskaffeeverkäufers, den wartenden Motorradtaxifahrern.
An dieser Stelle sollte man sich wehmütig fühlen und Angst vor dem Abschied haben, doch dafür ist alles zu unwirklich. Natürlich lebe ich in dieser Stadt, natürlich gibt es hier einen langweiligen Alltag und exotisch sind höchstens die Touristen aus Indien, aber nicht mein zu Hause.

Die Stadt der Engel hat mindestens ebenso viele Dämonen und dennoch wird sie mich nicht loslassen, ist ein Teil von mir geworden. Liebe und Hass existieren nebeneinander, wenn in der Rush Hour gedrängelt wird, wenn die Tuk Tuk Fahrer auch nach 9 Monaten viel zu viel Geld wollen, wenn thailändische Taxifahrer einen umsonst in die nächste Straße fahren oder mitten im Feierabendverkehr aus Schreinen winzige Orte der absoluten Harmonie werden.
Wenn vor den Bars und Stundenhotels die Geier warten und man im Internetcafé einen Schirm gegen den Regen geschenkt bekommt.

Die Erinnerung ist trügerisch, sie kleidet sich gerne in andere Gewänder, versteckt sich. Doch auch wenn sie vergilbt, ich werde sie regelmäßig abstauben, einen ganz besonderen Platz einräumen und in ihre sind genug Juwelen, dass sie niemals vergehen wird.
So viel ist passiert und geschehen, dass es mal wieder hier den Rahmen sprengen würde. Ich habe Revolutionen gesehen, bin durch den Dschungel gekrochen und war in Luxusmalls. Ich war in 3D-Kinos und auf den Spuren vergangener Zivilisationen. Ich habe mein Deutschsein gehasst und celebriert, hatte Ängste, Mut, Freude und Leid. Die besten und die schlechtesten Zeiten. Bin gerannt und geschlichen.
Jetzt bewege ich mich durch die Straßen mit der Leichtigkeit des Bewusstseins der Wiederkehr, mit der Freiheit des nichts-Bereuens.
Jeder Weg führt nach vorne, zurück kommt man nie wieder, aber es lohnt sich, ab und zu inne zu halten und zurück zu blicken die Aussicht zu genießen und die Landschaft zu genießen, die einen hierhin geführt hat.
Die Nostalgie wird kommen, sie schleicht sich schon heran, doch noch wird sie in der Schwebe der Zwischenwelt gehalten.

In 5 Tagen also, werde ich wieder durch Deutschland laufen, in 5 Tagen in einer Stadt mit 10 000 000 Einwohnern weniger sein und ich werde alle Leute verstehen. Statt essen gehen gibt es selber kochen, statt Straßen- Supermärkte und statt Papayas Äpfel.
Mein Schreibtisch wird aufgeräumt, mein Platz geleert und nach mir werden andere kommen. Was bleibt, sind winzige Fußspuren im Ganzen.

Was mir bleibt, sind ewige Erinnerungen und die letzten Tage zu genießen, nach vorne zu schauen und meine Schätze zu pflegen…


Bis Samstag!
 
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One Year in Bangkok von Noah Kais steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.
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