Montag, 25. Januar 2010

Down to the market

Es ist soweit, treue und untreue Leser, ich bin mal wieder angetreten um Menschen, Tiere, Sensationen feil zu bieten. Unterhaltung über meine Haltung zu Reisen, gebieten, Eindrücken und natürlich Bilder!
Dieses Mal habe ich sogar etwas Besonderes, sozusagen als Entschädigung für die lange Funkstille und das mutwillige Vorenthalten von Informationen.

Die Zeit: 09. Januar 2010. Das Jahr ist noch frisch, die Erwartungen sind froh und die Tage dieser Zeit beginnen mit Sonnenschein. Ein unbändiges Feuer erfüllte unsere Herzen, wir waren auf der Suche nach dem, was nur ein Gerücht war, doch wir waren fest entschlossen, unseren Weg zu machen und den Schienen bis an ihr Ende zu folgen. Den Schienen zum legendären Railway Market in der Provinz Samut Sakhon. Da wussten wir noch nicht, dass wir mehr finden würden als bloß einen Markt...
Einst ein bloßer Internetmythos, ist er von den mittlerweile auch mit Laptops ausgestatteten Backpackern und alternativer Hippiereisenden immer noch erstaunlich ignoriert...
Fest entschlossen, den Mythos live zu sehen und mit der Kraft zweier Herzen ausgestattet, dazu 4 Augen, 2 Zungen(von denen eine immerhin auf Thai fragen kann "Wo ist das?") und einem unersättlichen Vorrat an Optimismus begann unsere Reise also in Bangkok.
Die Reisenden: Imke und Micha
Die Ausrüstung:
- ein kryptischer Zettel mit verschiedenen Infos und Abfahrtszeiten und Adressen
- 2x 1,5 Liter Wasser
- ein lonely Planet

Zeit:
09:00 SEA
Wir hatten einen (relativ) genauen Plan von Ziel und Weg und eine(relative) gut recherchierte Ahnung sowie (relativ) sichere Kenntnisse dessen, was uns erwartete, außerdem waren wir(subjektiv relativ) gut ausgerüstet, also konnte nichts mehr schief gehen!

Unsere Reise begann also besagten Morgen morgens(? es ist spät) mit einem ausgiebigen Frühstück, bevor wir unsere Schuhe schnürten(ich zumindest, Imke nahm Sandalen, um den Mücken auch ein Frühstück zu gönnen:) ), und schon waren wir auf dem Weg zu Station 1 von Unzähligen: U-Bahn Station "Lumpini".
Von dort aus weiter bis zur Umsteigestation "Silom", um dort in die Skytrain Richtung Wongwian Yai zu fahren, mit dem hehren Ziel den mächtigen Chao Praya mit einem einfachen Massenverkehrsmittel zu überqueren und in die berüchtigte andere Seite der Stadt, in Thonburi einzutauchen...
Dort angekommen, gab uns ein kurzer Blick in die Karte die grobe Richtung und die Güte des Schicksals genau die richtige Straße ein.
Jetzt galt es nur noch, den Bahnhof "Wongwian Yai" zu finden, der im Lonely Planet als "hidden behind a busy food market" plus "just behind the large traffic circle"(roundabout, wie der Engländer hier sagen würde). Schön. Schade nur, dass nicht stand, von wo aus diese Richtungsangabe einen dirigieren sollte, da Kreisverkehre(vor allem vorgenannte enorme) die unangenehme Eigenschaft pflegen, polygame Verbindungen einzugehen und Autos aus allen wüsten und abwegigen Richtungen zusammenzuführen und zu vereinigen. Na ja...den Food Court fanden wir, das Einzige Problem war hierbei, dass der ganze Straßenblock ein Food Court zu sein schien...
Als kommunikationsfrohe Menschen(zumindest der weibliche Part unseres Duos) war es natürlich naheliegend, einen der Eingeborenen Einheimischen zu fragen. Offenkundig war diese Idee aber kulturell unsensibel, denn eine vorbeischlendernde Frau, die das Opfer unser penetranten Attacke wurde, riss auf unsere Frage entsetzt die Augen auf, so dass wir deutlich sehen konnten, dass nicht wir, sondern das pure Grauen sich spiegelte und stürmte eilig davon. Notiz für die Feldforschung: es scheint evident, dass eine Häufung bewaffneter Raubüberfälle von ca. 1,65m großen weiblichen blonden jungen Frauen am helllichten Tag auf Thailänder vorzuliegen scheint, die die Bevölkerung in panische Angst versetzt. Verstärkt wird die Gefahr durch hilflose Blicke in alle Himmelsrichtungen sowie das Verstecken der Waffen hinter einem aufgeschlagenen Reiseführer.
Zum Glück kam noch ein unerschrockener Mann herbei, der uns die Richtung zum ersehnten Bahnhof zeigte. Fröhlich machten wir uns also auf...in die falsche Richtung...
Dann kam jedoch ein besonders verwegener Mensch auf uns zu und zeigte uns grob die Richtung, in der der Bahnhof laut Karte grob liegen sollte(wenn auch ohne Straßenbezeichnung oder Himmelrichtung...).
Dankbar nahmen unsere Füße also wieder eine andere Richtung auf, wir folgten immer noch treu dem Reiseführer, denn zumindest die Straßenseite sollte ja stimmen, nicht wahr?
Nö.
Wir gerieten in ein paar Gassen, durchliefen den Food Court(wir erinnern uns: das ganze Viertel) und landeten an der Straße, an der wir von der Skytrain angekommen waren.
Da unser Zug bald fuhr und wir dachten, dass die Menschen in einem Umkreis von 100m zum Bahnhof doch den Bahnhof in ihrer Straße kennen müssten, fragten wir also. Doch immer wollten uns die Menschen zur Skytrain bringen(doof, wenn zwei Wörter dasselbe bedeuten...Rotfay oder Rotfay, welches mein ich, hmm...). Also beschlossen wir ein Taxi zu nehmen und nach der onomatopoetischen Imitation eines Zuges, wusste der Fahrer auch, dass wir NICHT zur Skytrainstation wollten(die in seinem Rückspiegel). Also fuhr er los - und hielt an. Nach ca. 2 Minuten waren wir angekommen, es war immer noch der Anfangspreis und der Fahrer wollte noch nicht mal Geld, also kamen wir im wahrsten Sinne des Wortes für ein Trinkgeld an.
Der Bahnhof war da, aber nicht auf der Straßenseite des linken Lonely Planet, auch nicht beim Food Court und erst Recht nicht "direkt hinter dem Kreisverkehr". Dafür war er versteckt hinter Wäsche und einem ranzigen Schild auf Thai.
Die Schienen konnte man nicht sehen, weil es ein Endbahnhof ist, der in Beton endet und dessen Schienen mit Gras überwachsen sind. Dort lösten wir dann vorbildlich unser Ticket und dank unserer kleinen Odyssee mussten wir gar nicht lange warten:)
Als integrationsbemühter Mensch kaufte ich mir noch eine frische Frühlingsrolle für die Fahrt und weil ich gerne teile, bekam mein T-Shirt einen Schuss Sojasauce ab.
Nach ca. 2 Stunden Fahrt über thailändische Dörfer und Reisfelder in einem Wagen mit Ventilator und Großeinkäufern kamen wir in dem wunderschönen(relativ) Städtchen Samut Sakhon an, wo wir atemberaubende Landschaften und Ruhe gegen einen hektischen Markt tauschten.
Dort war unser Ziel, die Fähre nach Ban Laem zu finden um die Ziel der Verkehrsmittel auf stolze 6 aufzustocken(kurzes Repetitorium: Füße, Metro, Skytrain, Taxi, Zug und jetzt Fähre).
Ein letzter Versuch folgte, dem Lonely Planet noch mal die Chance auf ein grandioses Comeback zu geben...
Ich zitiere:
a bustling port town several kilometers from the gulf of Thailand and the end of the first rail segment(check)
After working your way through what must be one of the most hectic fresh markets in the country
(geht so, actually)you'll come to a vast harbour...
Ich höre hier mal auf, weil eine Himmelsrichtung geholfen hätte, denn obwohl der Markt nicht wirklich so hektisch war, hat man trotzdem kein Wasser gesehen, höchstens ein paar Kanäle...aber wieder war uns das Schicksal gnädig, denn irgendwann(nach höchstens 1,2 ratlosen Runden um den Block, aber maximal!) fanden wir den "vast"(sehr relativ) Hafen und auch die Fähre Richtung Ban Laem auf Anhieb(nämlich die Einzige). Der Preis war mit 3 Baht erstaunlich günstig, was daran lag, dass die Fahrt nach 1 Minute zu Ende war. Vom Anschein her war die Hauptaufgabe der Fähre, Roller von einer Seite des Kanals auf die andere zu bringen, ohne den Sprit dafür bezahlen zu müssen.
Auf der anderen Seite wussten wir eines: wir müssen zum Wat Chong Lom, wo immer der auch sein mag.
Wir fanden viele hilfsbereite Rikschafahrer(die mit dem Fahrrad vorne dran), aber bei den winterlichen Temperaturen von 35° wollten wir ein TukTuk nehmen und nicht einem der armen zarten Menschen die Last von zwei europäischen Hintern zumuten...Nach 10 Minuten stellten wir dann fest, dass alle Thais damit fuhren, dass wir keine TukTuks sahen und es außer Laufen wohl keine Alternative gab.
Die Tatsache, dass der Fahrer kein Englisch sprach und ein Thai sprach von dem ich kein einziges Wort verstand(den zahnlosen Dialekt), machte aber gar nichts, denn er hatte ein laminiertes Schild auf Englisch vorbereitet, auf dem zwei Angebote standen:
1: round tour
2: Wat Chong Lom
beides mit Preisen versehen. Da mit Fingern auf Objekte zeigen überall verstanden wird, wurden wir uns einig und so stiegen unsere Verkehrsmittel auf 7 und meine Lebenserfahrung um eine Fahrradrikschafahrt an.
Wir kamen an, der Fahrer verabschiedete sich freundlich, zeigte uns noch den Bahnhof auf der anderen Seite, und machte sich auf, in die lange Straße weit entfernt von einem Sonnenuntergang
Wir hatten ein wenig Zeit, also machten wir uns auf, einen Ticketschalter zu suchen, den es gar nicht gab, weswegen wir dann im chinesisch buddhistischen Bot(Gebetsraum) etwas Schatten suchten und Entspannung plus Einblicke in individuelle Gebetstechniken und gelebte Religion fanden...
Es gab einen kurzen Schreckmoment, als wir einen Zug davon fahren sahen, doch stellten schnell fest, dass es nicht unserer war(wieder dank eines freundlichen Thais, der uns das Schild am Bahnhof erklärte, welches komplett auf Thai geschrieben war).
Pünktlich(relativ - im Folgenden nur noch r.) kam dann auch der Zug nach Samut Songkhran(unserem Ziel) und wir stiegen ein...
Diese Fahrt durch thailändische Provinz war sogar eine wahrhafte Reise durch thailändische Dörfer denn oft genug waren die Dächer der Hütten nur wenige Zentimeter vom Zug und den Fenstern entfernt. So nahe, dass Raus lehnen ein potentiell tödliches Risiko ist.
Wir hatten kein Ticket, was allerdings kein Problem ist, wie uns ein mitreisendes Paar erzählte, denn
a) ist der Zug für Thais sowieso umsonst(!)
b) kann man auch im Zug Tickets lösen
Wir bekamen Option b9 von den Kontrolleuren und durften die Fahrt genießen, im letzten Verkehrsmittel unserer Reise, auf dem Weg zum Ziel.
Die Umgebung bot Abwechslung von Bambuswäldern, zu Reisfeldern, kleinen Dörfern, halb erschlossenen Industriegebieten, offenen Tempeln, halboffenen Kneipen und Restaurants, aber vor allem wieder ein komplett anderes Thailand als Bangkok.
In Berufen ist Bangkok wohl Industriedesigner, der ab und zu Punk entdeckt und der Rest des Landes eine Mischung aus Kunsthistoriker und esoterischem Religionswissenschaftler;)
Ach ja: auf dem Land haben die Leute einen langen Fingernagel am kleinen Finger linken Hand - auf Nachfrage erkläre ichs...
Kurz vor dem Ziel ging Aufregung durch ein paar der Fahrgäste(die meisten davon farangs, aber auch ein paar Thais) und viele drängten zu den Türen und nach vorne. Der Markt nahte. Die Schaffner holten die Leute von den Türen weg und als Belohnung für Gehorsam(jump through the hoop) durften dann die braven nach vorne neben Lokführer, auf die pole position der Kameras.
Auch ich;)
Über den Markt verliere ich nicht viele Worte, denn die Reise war tatsächlich das Ziel(nah! außer dem Markt haben wir nämlich noch die Erfüllung eines abgedroschenen Sprichworts gefunden;) )
Dieser Markt findet auf den Schienen einer aktiven Eisenbahnlinie statt. Der Zug fährt viermal täglich und die Stände sind auf Rollen und mit ausgetüftelten Mechanismen versehen, um flexibel zu sein. kommt ein Zug, weichen Passanten und Einkäufer, werden Waren eingeholt und die Kameras heraus. Im Zug öffnet und schließt sich der Markt also vor einem. Bilder statt Worte.
Da wir zurück nach Krung Thep strebten, hatten wir nach 4 Stunden Fahrt nur 45 Minuten Aufenthalt, aber bei so einer Reise war es angemessen. Der Weg allein war es wert. Insgesamt benutzten wir 8 Verkehrsmittel(Füße, U-Bahn, Skytrain, Taxi, Zug, Fähre, Fahrradrikscha, Motorradtaxi auf dem Rückweg) auf dieser Reise.

Auf einer Reise, auf der wir so unglaublich viele Facette Thailands erlaufen, gerochen, geritten, gespürt, gehört und gesehen haben, war alles, was das Reisen ausmacht in der stundenlangen Zeitlosigkeit bewahrt, die durch Fahrtwind und eine vorbeiziehende Landschaft nicht getrübt, sondern nur wie ein wunderschönes Bild komponiert wurde, dass die Sinne ins Herz malen und das trotz oder gerade wegen seiner Vergänglichkeit ewig bleiben wird...



Der riesige Banhhof Wongwian Yai


Am Ziel!Ein ganz normaler Markt?! Oder? ...



1 Kommentar:

 
Creative Commons License
One Year in Bangkok von Noah Kais steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.
Über diese Lizenz hinausgehende Erlaubnisse können Sie unter http://www.michainthailand.blogspot.com/ erhalten.